In den vergangenen Wochen war am Finanzplatz Frankfurt häufig zu hören: Die Unicredit ist mit einer Übernahme der Commerzbank gescheitert. Scholz und Kukies hielten Orcel auf Distanz, wurde versichert. Die Verteidigung der Commerzbank funktioniere, hieß es. Mit dem Versuch, in Italien die Regionalbank BPM zu kaufen, zeige die Unicredit, dass sie nicht mehr an eine Übernahme der Commerzbank glaube, meinten wiederum andere zu wissen. Mit der Aufstockung ihres Anteils an der Commerzbank auf 28 Prozent demonstriert die Unicredit, dass sie sich nicht für das interessiert, was in den Restaurants rund um den Frankfurter Opernplatz gesprochen wird. Sie handelt einfach. So wie Frau Esken kann Herr Scholz den Signore Orcel nicht einfach stehen lassen.
Zahlen sagen bei Wirtschaftsthemen häufig mehr als Worte. Unicredit wird an der Börse mit 63 Milliarden Euro bewertet, die Commerzbank mit 18 Milliarden Euro. Auch die Deutsche Bank bringt mit einem Börsenwert von 32 Milliarden Euro nicht viel auf die Waage. Man kann im internationalen Vergleich keine starken deutschen Großbanken haben, wenn einerseits das deutsche Drei-Säulen-Modell aus öffentlichen, genossenschaftlichen und privaten Banken für sakrosankt erklärt wird und andererseits beim Versuch der Konsolidierung der wenigen Großbanken im vergangenen Vierteljahrhundert so ziemlich alles schiefgegangen ist, was schiefgehen konnte. Die Commerzbank schlägt sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten wacker, aber der Rückstand gegenüber den europäischen Bankenriesen (die ihrerseits klein sind gegenüber den amerikanischen Bankenriesen) lässt sich nicht mehr aufholen. Manche Züge sind einfach abgefahren.
Die Banken sind kein Einzelfall für geliebte Selbsttäuschungen. In Deutschland glauben viele Menschen unverdrossen, der mit hoher Ingenieurskunst hergestellte Verbrenner wäre auch für die Zukunft ein Erfolgsrezept. An den internationalen Kapitalmärkten sieht man das völlig anders: Tesla wird an der Börse mit 1468 Milliarden Euro bewertet, Mercedes mit 56 Milliarden Euro. Die Zukunft findet in einer immer größeren Zahl von Wirtschaftszweigen ohne deutsche Unternehmen in den vorderen Rängen statt.
Die unerfreuliche, aber unvermeidbare Folge ist ein nachlassender Respekt des Auslands gegenüber Deutschland. Noch vor zehn Jahren hätte eine Großbank aus einem anderen europäischen Land keine Beteiligung von knapp 30 Prozent an einer deutschen Großbank aufgebaut, ohne sich vorher mit der Bundesregierung und der Leitung der deutschen Bank abzusprechen. Heute muss man das nicht mehr.
Und was bedeutet das für den Finanzplatz Frankfurt? Sein größtes Asset ist aus internationaler Sicht die Europäische Zentralbank, der es seit der Eurokrise aber gerade am hiesigen Finanzplatz an Wertschätzung fehlt. In Frankfurt wie in ganz Deutschland wird es höchste Zeit, sich des Rückstands bewusst zu werden, den die deutsche Wirtschaft gegenüber dem Rest der Welt nicht erst seit heute hinnehmen muss.