Die Carolabrücke in Dresden muss komplett abgerissen werden. Zu diesem Ergebnis kommt ein Gutachten des Instituts für Massivbau an der Technischen Universität Dresden. Die Brücke in der Dresdener Innenstadt war am frühen Morgen des 11. September zum Teil in die Elbe gestürzt. Das betraf den Brückenzug C. Auch die noch stehenden Brückenzüge A und B könnten nicht weiter genutzt werden, sagte Gutachter Steffen Marx am Dienstagabend in einer Sitzung des Bauausschusses der Stadt Dresden im Neuen Rathaus. „Wir halten eine Wiederinbetriebnahme auch für eine begrenzte Last für ausgeschlossen“, sagte Marx. Der stark geschädigte Zustand der Brücke sei von außen nicht erkennbar gewesen. Marx sprach von einem Fall „höherer Gewalt“. Der Einsturz sei aber „eine Zeitenwende“ für die Bewertung der Sicherheit der Brücken in Deutschland.
Die Ursache für den Einsturz des Brückenzugs C sei eindeutig bestimmt worden, sagte Marx, der Direktor des Instituts für Massivbau ist. Durch Korrosion seien die Spannglieder der Brücke geschädigt worden. Diese Korrosion sei bereits beim Bau der Brücke initiiert worden, als die Spannglieder Feuchtigkeit ausgesetzt gewesen seien. Marx sprach von „wasserstoffinduzierter Spannungsrisskorrosion“. Sie habe sich über die Jahrzehnte im Inneren der Brücke fortgesetzt. Die Anrisse der Spannungsglieder seien durch Materialermüdung immer weiter gewachsen, die Brücke habe damit ein Ablaufdatum gehabt.
Die Bauwerksüberprüfungen der Brücke hätten vorschriftsmäßig stattgefunden. Die festgestellten Rissbreiten seien aber so minimal gewesen, dass die Tragfähigkeit der Brücke als nicht gefährdet galt. Die Risse im Innern hätten sich allein durch die moderne Schallemissionsmessung erkennen lassen, die aber bei den Prüfungen noch nicht üblich gewesen sei. Auf diese Methode werde man in Zukunft deutlich mehr setzen müssen, sagte Marx. Sie ist derzeit an der Brücke im Einsatz, um festzustellen, ob die Risse in den stehenden Brückenteilen weitergehen.
Hoher Schädigungsgrad bei Brückenzügen A und B
In der Unglücksnacht habe ein Temperatursturz dazu beigetragen, dass die Brücke eingestürzt sei, sagte Marx. Dass der Einsturz keine Menschenleben gekostet habe, sei einfach „riesiges Glück“ gewesen. Kurz vor dem Einsturz war noch eine Straßenbahn über den Brückenzug C gefahren. Man habe eine ganze Reihe von Hypothesen für den Einsturz geprüft, darunter ein Platzen der Fernwärmeleitung, die über die Brücke geführt hatte, einen Terroranschlag, die mögliche Auswirkung eines Schwertransports oder ein Mini-Erdbeben. Doch hätten sich keine Anhaltspunkte für diese Hypothesen ergeben.
Die Brückenzüge A und B haben nach Marx‘ Worten einen so hohen Schädigungsgrad, „dass wir einen Weiterbetrieb nicht riskieren können“. So habe man zahlreiche gebrochene Spannglieder festgestellt. Von 37 Proben, die man entnommen habe, hätten 25 zum Teil extreme Anrisse gehabt. Die Brücken könnten einstürzen. Man müsse deshalb die bestehenden Brückenteile ständig überwachen oder abstützen, um die Unterquerung zu ermöglichen und die Einsturzstelle für die Schifffahrt wieder passierbar zu machen.
Der Einsturz der Carolabrücke hat in Sachsen zu einer Diskussion darüber gefährdet, welche anderen Brücken baufällig sind und gesperrt werden müssten. So wurde im sächsischen Bad Schandau im November die 270 Meter lange Elbbrücke gesperrt.